Oranges Licht scheint zum Fenster herein, es ersetzt mir den Mond, den ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Von der Ferne ein Rauschen, so allgegenwärtig, dass ich es kaum mehr wahrnehme. Es ist nicht das Meer, es ist die Autobahn. Es ist Nacht, wie es in der Stadt Nacht ist. Nicht Dunkel, nicht still, aber deshalb noch lange nicht frei von Dämonen.

In meinem Zimmer gibt es an diesem Fenster ein Bett und daneben steht der Schreibtisch. Ein Text muss fertig werden. Seit Tagen verlasse ich das Haus nur, um mir eine Kleinigkeit zu Essen zu besorgen. Drinnen gibt es nur das Bett oder den Schreibtisch.

Und ich wage es nicht, mich an ihn zu setzen. Der Bildschirm beleuchtet grell und anklagend das Zimmer. Eine Datei ist geöffnet, leer, keine Zeile, nichts. „Dokument1“ heißt es immer noch.

Ich möchte den Rechner ausmachen, aber ich kann mir auch nicht eingestehen, dass der Tag wirklich verloren ist. Im Dunkel des Zimmers verborgen liegt meine Vorarbeit. Ordnerweise Literatur, Mindmaps, Kapitelübersichten… Ich weiß genug, ich habe es sinnvoll geordnet, es ist jetzt die Zeit zu schreiben, seit einem Monat schon… es muss längst die Zeit sein… Aber es geht einfach nicht… Nun war es schon unmöglich fertig zu werden…

Ich möchte den Rechner ausmachen, aber ich kann mich nicht rühren. Ich verstehe das Problem nicht. Ich kann es nicht mal richtig beschreiben. Ich weiß nicht weiter.

Irgendwann in der Nacht, müde vom Stress des Stillstandes, trete ich doch aus der Dunkelheit in den geisterhaften Schein. Kein Ruck war durch mich gegangen, kein letzter Kampfwille. Es war mehr eine dumpfe Leere in meinen Eingeweiden, als die Erkenntnis sich dort festfraß, dass auch das schlimmste, was ich mir jetzt zusammenstammeln konnte, besser wäre, als der weiße Albtraum. Verzweifelter Aktionismus.

Ich tippte halbgare Satzunfälle. Löschte sie, tippte erneut, ließ sie entmutigt stehen und machte weiter. Es tat körperlich weh und war mir bis zur Übelkeit zuwider. Es dauerte quälend lange und es fühlte sich an, als würde ich mir die Worte aus dem eigenen Fleisch schneiden. Wie ein grausames, archaisches Opfer an einen blutdurstigen Apoll, der keine Erlösung für mich hatte und auch keine seiner Huren schickte. Nicht einmal die unbegabteste. Der mich einfach an seinem Altar wortlos scheitern ließ.

Wurde es besser? Kam ich irgendwann ins Schreiben „rein“? Nein. Schreiben ist kein Sprint, selbst unter Zeitdruck nicht, es ist ein Marathonlauf und in jener Nacht und den folgenden war es einer auf Glasscherben. Einer, bei dem man nur hoffen kann, wenn auch als letzter, dennoch das Ziel zu erreichen.

Wenn es dann, gegen die Uhr, doch noch getan ist, blicke ich auf die Arbeit, und bin nicht einmal erleichtert, es doch noch geschafft zu haben. Ich fühl mich ausgeweidet, müde und will mich nur notdürftig zusammen flicken und dann will ich Garnichts mehr.

Ich schlafe direkt neben dem Altar, an dem noch mein Blut klebt. Ich muss aufräumen und lüften. Irgendwann morgen. Wenn alles nicht mehr so schmerzt.